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Wahlverwandtschaft

 

„Ich wusste es doch – er hat's noch voll d'rauf!“ hielt mir mein jüngster Spross diesen grünen Spielfrosch unter die Nase und deutete auf die zahlreichen Laichschnüre in unserem kleinen Gartenteich. Noch heute kann ich mir das Lachen nicht verkneifen, wenn ich das unzerstörbare Spielzeug aus irgendeiner Gartenecke, in der es untergetaucht war, hervorziehe.

 

Tatsächlich laichen bei mir keine Frösche; Teichfrosch (Pelophylax kl. esculentus, Pelophylax „esculentus“ oder Rana „esculenta“), ungenauer auch Wasserfrosch genannt, legt die Eiballen eher in Moorteichen zwischen Mitte Mai und Mitte Juni ab. In meinem Garten gibt es nur Erdkröten (Bufo bufo). „Nur“ (Adverb) meine ich nicht als Einschränkung, sondern als Ausschließlichkeit: Nur (Partikel!) echte Kröten sind Glücksbringer, meinte meine Omi, die Märchen sehr liebte. Sie können den Teufel verkörpern, aber auch einen schützenden Hausgeist. In der Erzählung existiert keine klare Unterscheidung zwischen Kröte und Unke und dem meist männlich gedachten Frosch. Dafür, glaube ich, stehen Froschlurche gerne für Gerechtigkeit, vielleicht sogar für Genugtuung. Man denke nur (Adverb) an den Froschkönig: „Heinrich, der Wagen bricht!“ „Nein, Herr, der Wagen nicht, es ist ein Band von meinem Herzen, das da lag in großen Schmerzen, als ihr in dem Brunnen saßt, als ihe eine Fretsche (Frosch) wast (wart).“ Oder an das Kind, das eine Unke füttert und mit Gold belohnt wird. Bis die Mutter das mitbekommt und die Kröte erschlägt, woraufhin das Kind stirbt. Oder gar an den undankbaren Sohn, der ein Brathuhn vor dem alten Vater versteckt, weil er es nur (Adverb) mit seiner Frau essen will. Daraufhin wird aus dem Huhn eine dicke Kröte.

 

Ja, ob es nun gerecht ist, oder nicht: Mein Fröschchen kann die Kaulquappen noch so liebevoll anstarren und bemuttern wollen, es wird immer bleiben was es ist – etwas, das nichts mit dem echten Leben der Nachkommen zu tun hat. Keine Wahlverwandtschaft möglich.